3. Übung zur Zuordnung zu den Satzbauplänen

Chinesen glauben an die Wahrheit – und gleichzeitig an ihr Gegenteil

Betreffen die interkulturellen Differenzen womöglich nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Art, Schlussfolgerungen zu ziehen? Nisbett gab je 60 Testpersonen aus Amerika und Korea Essays über Fidel Castro zu lesen. Einige der Autoren verteufelten den kubanischen Staatschef, andere lobten seine Politik. Nisbett wies seine Probanden mit Nachdruck darauf hin, dass die Verfasser der Texte ihren Standpunkt nicht frei gewählt hatten und privat völlig anderer Meinung sein konnten. Anschließend sollten die Testpersonen einschätzen, was die Autoren in Wirklichkeit von Castro halten. Die Amerikaner unterstellten den Verfassern der Lobeshymnen auch privat größere Sympathie für ihn, was Nisbett nicht überraschte. "Zur Erklärung menschlicher Verhaltensweisen berücksichtigen Westler den Kontext oft nicht ausreichend, sondern halten Merkmale der handelnden Personen – etwa deren tatsächliche politische Überzeugung – für allein ausschlaggebend."

Irritiert war der Psychologe zunächst, als auch die asiatischen Testpersonen im Castro-Versuch mehrheitlich nicht zwischen Text und privater Überzeugung der Autoren differenzierten. Daher variierte Nisbett die Versuchsanordnung: Er ließ neue Probanden selbst Essays mit vorgegebener politischer Grundhaltung verfassen. Anschließend wiederholte er das ursprüngliche Experiment. Nun unterschieden die Koreaner klar zwischen den Texten und der privaten Überzeugung der Testpersonen. Die Amerikaner vermuteten jedoch nach wie vor, dass Castro-kritische Aufsätze generell auf eine Castro-kritische Einstellung des Schreibers verwiesen. [...]

gekürzt aus: DIE ZEIT 30.09.2004 Nr.41(c) 41/2004


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