Durch die Verwendung des Nominalstils in Wissenschafts- und Fachtexten ist es möglich, mit knappen sprachlichen Mitteln ein hohes Maß an Informationen zu liefern. Im folgenden Regelkatalog wird es darum gehen, wie Verben, Adjektive und Nebensätze zu einer Nominalphrase - und somit zu einem Satzglied - umgeformt werden.
Eine Verbalphrase (VP), also ein flektiertes Verb
(V) bzw. ein Adjektiv mit Hilfsverb
(Adj+Vaux) wird zu einem Nomen.
Prinzipiell kann ein
Nomen aus einem Verb geformt
werden,
indem man den Infinitiv mit einem Artikel (immer Neutrum) bildet.
Dieser nominalisierte Infinitiv wird
vor
allem dann verwendet, wenn es kein eigenes Nomen zu dem Verb gibt.
Zur Bildung des entsprechenden
Substantivs ist es wichtig zu wissen, welche Endung (Suffix)
benötigt wird. Dazu können Sie sich die
Regeln
zur Wortbildung
ansehen. Es gibt jedoch nicht für alle Gruppen von Verben und
Adjektiven verbindliche Regeln.
VP | { | V Adj + Vaux |
} | → N |
erwerben | → | der Erwerb (das Erwerben) |
wichtig | → | die Wichtigkeit (das Wichtige) |
Unabhängig davon, welche Objekte ein Satz enthält, gelten die folgenden Regeln zur Nominalisierung für alle folgenden Teilgebiete.
Wenn das Subjekt ein Personalpronomen (Pronpers) ist, wird es bei der Nominalisierung zum Possessivpronomen (Pronposs). Handelt es sich beim Subjekt um das unpersönliche Pronomen man, entfällt dieses.
Pronpers → Pronposs
Sie arbeiten
→ Ihre Arbeit ...
Man arbeitet
→ Die Arbeit ...
Das Adverb (Adv) oder adverbial gebrauchte Adjektiv einer Verbalphrase wird bei der Nominalisierung zum attributiven Adjektiv (Adjattr). Beachten Sie hier, dass sich nicht aus jedem Adverb ein Adjektiv machen lässt, wie z.B. wenig (Adv) → gering (Adj)
Adv → Adjattr
Sie arbeiten engagiert.
→ Ihre engagierte Arbeit ...
Die Nominalisierung von Negationen (Neg) erfolgt, indem man ein entsprechendes Adjektiv bildet. Die Wahl des Adjektivs ist immer kontextabhängig.
Neg → Adj
Die Studenten arbeiten nicht.
→
Die mangelnde/fehlende Arbeit der Studenten ...
Bei festen Verb-Substantiv-Verbindungen (auch Funktionsverbgefüge) wird das Verb oft nicht nominalisiert, da es kaum Eigenbedeutung und in erster Linie grammatisch-syntaktische Funktion hat.
Die Studierenden stellen hohe Anforderungen.
→ Hohe Anforderungen der Studierenden ...
Zwischen den Sprachen bestehen einige Unterschiede..
→
Einige Unterschiede zwischen den Sprachen ...
Die Verben haben und sein werden nicht nominalisiert.
Wenn das Substantiv weder Artikel (auch im Plural) noch attributives Adjektiv bei sich hat, verwenden Sie die Ersatzform zum Genitiv mit von.
Literatur ist wichtig.
→ Die Wichtigkeit von Literatur
Ansonsten gilt die Ersatzform zum Genitiv mit von als umgangssprachlich.
In diesem Kapitel 2 geht es allgemein um intransitive Verben (Vitr), d.h. um solche Verben, bei denen kein Akkusativobjekt (Objakk) stehen kann, unabhängig davon, ob ein anderes Kasus- oder Präpositionalobjekt bei ihnen stehen kann.
Um einen Satz ohne Objekt oder mit Reflexivverb zu nominalisieren, wird zunächst aus dem Verb das entsprechende Nomen gebildet. Das Subjekt (Subj) des Satzes wird zum Genitivattribut (Ngen).
VP → NP
Subj → Ngen
Die Studenten arbeiten.
→ Die Arbeit der Studenten ...
Die Studenten treffen sich.
→
Das Treffen der Studenten ...
Beachten Sie aber, dass Reflexivverben auch ein Objekt bei sich haben können. (z.B. sich einer Sache/einer Person annehmen oder sich etwas aneignen). In dem Fall sehen sie sich Punkt 3 oder 4 in diesem Regelkatalog an.
Wird ein Satz mit einer Präpositionalphrase (PP) nominalisiert, wird diese zumeist unverändert zum präpositionalen Attribut. Als Rechtsattribut steht sie hinter dem Genitivattribut.
PP → AttrR
Die Studenten arbeiten an dem Projekt.
→ Die Arbeit der Studenten an dem Projekt ...
Beachten Sie hierbei, dass es zu einem Wechsel der Präpositionen kommen kann, wenn das Verb nominalisiert wird. (z.B. sich interessieren für / das Interesse an)
Die Nominalisierung von Sätzen mit einem Akkusativobjekt muss je nachdem, ob es sich um einen Aktiv- oder Passivsatz handelt, unterschieden werden.
V | → | N |
Nakk | → | Ngen |
Subj | → | PPdurch |
Die Studenten planen ein Projekt.
→ Die Planung des Projekts durch die Studenten ...
Part II | → | N |
Subj | → | Ngen |
PPvon/durch | → | PPdurch |
Das Projekt wird von den Studenten geplant.
→ Die Planung des Projekts durch die Studenten ...
Passivsätze treten häufig ohne Präpositionalphrase auf. In diesem Fall entfällt auch die Präpositionalphrase mit durch.
Das Projekt wird geplant.
→ Die Planung des Projekts ...
Bei der Nominalisierung eines Satzes mit einem Dativobjekt wird, nachdem aus dem Verb das entsprechende Nomen gebildet wurde, das Akkusativobjekt zum Genitivattribut. Das Dativobjekt wird in eine Präpositionalphrase verwandelt und steht hinter dem Genitivattribut.
V | → | N |
Nakk | → | Ngen |
Objdat | → | PP |
Man teilt den Studenten den Plan mit.
→ Die Mitteilung des Plans an die Studenten ...
Beachten Sie, dass die entsprechenden Präpositionen der Präpositionalphrasen immer vom jeweiligen Nomen abhängen. Schlagen Sie gegebenenfalls im Wörterbuch nach.
jdm. etwas anbieten | → | das Angebot an jdn. |
jdm. etwas verweigern | → | die Verweigerung einer Sache jdm gegenüber |
(nachgestellt) |
---|
Wenn der Satz nur ein Dativobjekt enthält, also kein Akkusativobjekt, wird das Dativobjekt zur PP.
Man dankt den Studenten.
→ Der Dank an die Studenten ...
Bei der Nominalisierung eines Satzes mit einem prädikativen Adjektiv (Adjpräd) wird dieses Adjektiv zum Nomen. Das Subjekt des Satzes wird zum Genitivattribut.
Adjpräd | → | N |
Subjakk | → | Ngen |
Die Studenten sind engagiert.
→
Das Engagement der Studenten.
Wenn es darum geht, die Bedeutung von Modalverben zu interpretieren, gibt es häufig mehrere Deutungsmöglichkeiten (Ambiguität). Bei der Verwendung des Nominalstils sind die Modalverben durch ihre entsprechenden Nomen zu ersetzen. Um nun zu wissen, welches Substantiv dem Modalverb entspricht, müssen vor allem die verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten geklärt sein, so dass anhand des Kontextes das passende Nomen verwendet werden kann. Im Folgenden finden Sie die häufigsten Entsprechungen der Modalverben (ausschließlich im objektiven Gebrauch)
Variante 1 = Möglichkeit
Er kann den Vortrag besuchen.
Variante 2 = Fähigkeit
Abiturienten können in der Regel zwei Fremdsprachen sprechen.
Variante 3 = Erlaubnis
Die Bürger können mit 18 Jahren wählen.
→ nicht können →
Variante 1 = Notwendigkeit
Diese
Hauptbedeutung kann aus verschiedenen Gründen
bestehen: z.B. einem Zweck, Gesetz, Befehl, einer Pflicht etc.
Die Studierenden müssen am Semesterende eine Prüfung ablegen.
Variante 2 = Forderung/Aufforderung
Der Grund
für die Forderung/ Aufforderung
liegt
im Willen einer Person (möglich ist hier auch der Gebrauch von sollen).
„Sie müssen pünktlich sein!”
Variante 1 = Aufforderung
Die Hauptbedeutung
von sollen drückt eine
Forderung oder Aufforderung aus. Die Gründe dafür können sein:
Auftrag, Ziel, Pflicht, Vorschrift etc.
Die
Forderung oder Aufforderung liegt im Willen einer Person oder
Instanz.
Die Studierenden sollen ihre Scheine ausfüllen.
Variante 2 = Rat, Empfehlung
sollen
in der Bedeutung eines Ratschlags
oder
einer Empfehlung wird im Konjunktiv II gebraucht.
„Sie sollten dieses Buch lesen!”
Variante 1 = Erlaubnis
Die Bedeutung von dürfen
gründet im Willen einer
Person oder Instanz.
Sie dürfen während der Klausur Sekundärliteratur benutzen.
Variante 2 = Notwendigkeit
Diese Variante
findet sich besonders häufig in
wissenschaftlichen Texten, verbunden mit einer Negation.
Man darf die Grammatikregeln nicht ignorieren.
Beachten Sie hierbei, dass sich das Verb ändert (aus ignorieren [etwas nicht beachten] wird beachten).
Nicht alle Negationen von dürfen haben die Bedeutung von Notwendigkeit. Es gibt auch die Negation von Erlaubnis im Sinne eines Verbots bzw. einer Unzulässigkeit. Der Kontext entscheidet über die Interpretation.
Sie dürfen in der Klausur keine Sekundärliteratur benutzen.
Mit dem Modalverb wollen drückt man hauptsächlich die Bedeutung von Wille, Absicht etc. aus.
Die Studierenden wollen eine Arbeitsgruppe bilden.