Text 4

Die Erstsprache als Hilfe und Hindernis

Sprachen sind - wie Menschen - eigentlich gleich. Aber offenbar gibt es, ähnlich wie bei Menschen, einige Sprachen, die sich mehr gleichen als andere. Ein Franzose wird z.B. Spanisch leichter lernen als Russisch, während das z.B. nicht für einen Bulgaren gelten dürfte.

Wir wissen aus Erfahrung, dass man sich Nachbarsprachen in der Regel rascher aneignen kann als entferntere Sprachen. Mit Englisch oder Deutsch als Erstsprache würde ein "durchschnittlicher Lerner" nur ein Jahr brauchen, um z.B. Dänisch oder Spanisch fließend zu sprechen. Dazu müsste er allerdings jeden Tag zwei Unterrichtsstunden erhalten. Eine Unterrichtsstunde pro Tag scheint dafür nicht auszureichen.

Im Falle, dass die Sprachen entfernter sind (z.B. Polnisch oder Russisch), sind schon 18 Monate Unterricht erforderlich und ein dreimonatiger Aufenthalt im Land der Zielsprache. Ähnliches gilt für die dritte Sprachengruppe (z.B. Ungarisch, Finnisch, Türkisch), für die (im Vergleich zur ersten Gruppe) die doppelte Zeit benötigt würde. Tonale Sprachen (z.B. Chinesisch oder Vietnamesisch) oder semitische Sprachen (z.B. Arabisch oder Hebräisch) bereiten Mitteleuropäern offenbar besondere Schwierigkeiten. Um sich in diesen Sprachen einen vergleichbaren Sprachstand anzueignen , würde unser "durchschnittlicher Lerner" etwa dreißig Monate benötigen.

Doch nur die wenigsten Menschen dürften die Zeit und Gelegenheit haben, um zwei Stunden pro Tag an einem Sprachkurs teilzunehmen. Dagegen sind Kinder und Schüler zuweilen in einer solchen privilegierten Position. Die Tatsache aber, dass eine Stunde pro Tag offenbar nicht ausreichen würde, um eine Sprache fließend sprechen zu können, zeigt uns, wie intensiv man sich mit der fremden Sprache auseinandersetzen müsste. [...]


Ergebnis