Bezieht man die Unterscheidung "Erwerben" und "Lernen" auf die Aneignung einer fremden Sprache, so kann man vereinfachend sagen, dass im schulischen Kontext formalsprachliche Aspekte gelehrt und je nach Interesse und Fähigkeiten der Schüler auch gelernt werden. In informellen Situationen hingegen, in denen es primär um unsere Verständigung geht, wird eine fremde Sprache eher beiläufig erworben. Man könnte auch sagen: In informellen Situationen wird die Initiative zum Lernen bzw. zum Erwerben dem Lernenden selbst überlassen (Selbststeuerung). In formellen Situationen kann sich der Schüler zwar in Übungsphasen oder während Sprachspielen ebenfalls selbst steuern. Er unterliegt jedoch auch der Fremdsteuerung durch den Lehrer, wodurch meist Lernen (und nicht Erwerben) begünstigt wird.
Solche Formulierungen vereinfachen jedoch die tatsächlichen Sachverhalte, weil es auch im Unterricht Phasen gibt, in denen verständigungsorientiert gearbeitet wird, so wie ja auch in informellen Alltagssituationen zeitweise formale Unterweisungen erteilt werden. Man denke etwa an Korrekturen oder an Erläuterungen (z.B. Hinweise auf einen Wortgebrauch oder Wortbildungsmöglichkeiten), die von Zuhörern im Laufe von Gesprächen - zumeist beiläufig - gegeben werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass im traditionellen Unterricht die Fremdsprache eher gelernt wird, während in informellen Situationen häufiger ihr Erwerb beobachtbar sein dürfte. Die Übergänge sind jedoch fließend. [...]